Der Landwirt Peter (Pierre) Kerren war der Sohn von Joseph Jean Hubert Kerren und Maria Josefine Kerren, geborene Hicks. Er war verheiratet mit Elisabeth Kerren, geborene Loyens aus Walhorn und niederländischer Nationalität zum Zeitpunkt der Hochzeit. Das Ehepaar lebte seit dem 23. März 1926 im Weiler Heistern (Lontzen), zuvor in Beyne-Heusay. Am 24. November 1940 wurden sie Eltern eines Sohnes.

Laut Gerichtspolizei Lontzen konnte der Landwirt Peter Kerren gut lesen und schreiben und war sowohl des Deutschen als auch des Französischen mächtig. Zu seinen Französischkenntnissen existieren widersprüchliche Angaben, doch ist anzunehmen, dass er beide Sprachen fließend beherrschte. Er war belgischer Staatsangehöriger und kein Angehöriger des Militärs. Nachteiliges über ihn war nicht bekannt.

Die Erklärungen und Aussagen seiner Witwe und seiner Mitgefangenen aus der Nachkriegszeit verdeutlichen, dass Peter Kerren sich infolge seiner Einberufung in die Wehrmacht am 31. Juli 1944 willentlich den Daumen der linken Hand abtrennte, um dem deutschen Wehrdienst zu entkommen.

Ein Dokument der Eupener Polizei bestätigt, dass er am 1. August 1944 wegen „vermutlicher Selbstverstümmelung“ festgenommen und inhaftiert wurde. Es besagt auch, dass er am 3. August von der Staatspolizei (Stapo) abgeholt wurde. Seine Witwe gibt in einem Auskunftsformular für das Ministerium für Kriegsopfer am 11. November 1946 ferner die Gefängnisse von Aachen, Siegburg und Bautzen an.

Sowohl für Peter Kerren als auch für seine Familie, d. h. auch für seine Eltern sowie für seine Ehefrau, gab der Standesbeamte der Stadt Bautzen am 1. Dezember 1948 Bautzen als letzten bekannten Wohnort an. Wenn das stimmt (andere Dokumente als jenes der Stadt Bautzen erhärten diesen Verdacht nicht) wurde die gesamte Familie nach Bautzen deportiert.

Anfang Januar 1945 klagte Peter Kerren mehreren Mitgefangenen zufolge über Schüttelfrost. Die Aussagen seiner Mitgefangenen Guillaume Radermacher (Gemmenich), Guillaume Quadflieg (Bleyberg/Plombières), Henri Lemmens (Reemersthal/Rémersdael) gehen leicht auseinander, was den Todeszeitpunkt Peter Kerrens betrifft (4. bzw. 5. Januar oder 5. Februar 1945), doch revidierte Radermacher, der Kerrens Tod zunächst auf den 5. Februar datiert hatte, später seine Aussage.

Von vornherein stimmten die Mitgefangenen Peter Kerrens darin überein, dass dieser auf ihr Anraten hin Hauptwachtmeister Heinch aufgesucht habe, um medizinische Hilfe zu erhalten. Diese habe Heinch ihm mit der Begründung verweigert, dass deutsche Soldaten im Osten ebenfalls frören und dennoch arbeiteten. Den Besuch eines Arztes verweigerte Heinch Peter Kerren und zwang ihn, weiter zu arbeiten, nachdem der Mitgefangene Henri Lemmens ihm dazu geraten hatte, sich hinzulegen.

Auch der Neujahrstag war nicht arbeitsfrei. Die Gefangenen waren mit der Anfertigung von Fußmatten beschäftigt. Nach Aussage von Guillaume Quadflieg brüllte Heinch Kerren dabei an. Er wurde gezwungen, trotz seines sich verschlechternden Zustands auch am 2. und 3. Januar zu arbeiten. Am Morgen des 4. Januars konnte er nicht mehr und brach zusammen. Gegen 11 Uhr Vormittag wurde er Henri Lemmens zufolge zur Krankenstation gebracht. Der Arzt weigerte sich jedoch, ihn zu behandeln und behauptete, Peter Kerren fehle nichts. Zwei Stunden später, um 13 Uhr, starb er an den Folgen einer Lungenentzündung. Nach Aussage von Henri Lemmens erstickte er.

Das Gefängnis im Bautzener Stadtteil Nordostring war Durchgangsgefängnis für politische Gefangene aus den vom nationalsozialistischen Deutschland besetzten Gebieten. Die zuständigen NS-Behörden hatten demnach vor, Peter Kerren und gegebenenfalls auch seine Familie in ein Konzentrationslager zu verlegen.

Die Tatsache, dass Gefangene noch kurz vor Kriegsende zur Herstellung von Fußmatten gezwungen wurden, verdeutlicht die sinnlose Brutalität, mit der die Opfer im NS-Apparat gequält wurden, denn die Herstellung von Fußmatten in den letzten Kriegswochen kann kaum als unbedingt notwendige Arbeit gelten. Auch die Charakterisierung des Bewachers Heinch als „Wüstling“ durch Kerrens Mitgefangenen überrascht in diesem Zusammenhang kaum.

Letztlich ist es Spekulation, ob medizinische Hilfe Anfang Januar 1945 Peter Kerren gerettet hätte. Der 38jährige Landwirt hinterließ eine Frau und ein 5-jähriges Kind. Er wurde in Bautzen auf dem katholischen Friedhof beigesetzt, später nach Berlin Frohnau überführt und aufgrund der Nachforschungen der belgischen Behörden schließlich zurück nach Belgien gebracht.

Die posthumen Titel „Politischer Gefangener“ und „Refraktär“ wurden Peter Kerren aufgrund einer neutralen bis scheinbar opportunistischen Haltung nicht gewährt. Seine Witwe Elisabeth Loyens, nunmehr alleinerziehende Mutter, erhielt als Hinterbliebene jedoch eine „außergewöhnliche Entschädigung“.

Im Zuge des Verfahrens protokollierte die Gendarmerie von Lontzen mehrere, zum Teil widersprüchliche Aussagen von Personen aus dem Umfeld Peter Kerrens. Ehemalige Widerstandskämpfer und „Probelgier“ warfen ihm vor, am 10. Mai 1940 nicht in Stellung gegangen zu sein, obwohl er 1939 als belgischer Soldat mobil gemacht worden war. Andere warfen ihm eine Nähe zur Heimattreuen Front und NSDAP vor, die von Polizei und Gendarmerie nicht bestätigt und von seiner Witwe dementiert wurde, im Endentscheid der Kommission wohl aber Erwähnung fand.

Kerrens Onkel war Bauernführer in Lontzen, wodurch er wahrscheinlich Vorteile für den eigenen Betrieb erhielt, während der Hof der Nachbarin zugrunde ging. Doch dies sind nur Vermutungen, die in den Akten gemacht und auch als solche ausgegeben werden. Für andere war Kerren ein belgischer Patriot und Antifaschist, der sich willentlich verstümmelte, um dem Dienst in der deutschen Armee zu entkommen.

Sicher ist jedoch, dass diese von der Gendarmerie kritisch beurteilten Aussagen Zeugen der angespannten Stimmung in der Bevölkerung unmittelbar nach dem Krieg sind. Man kann ebenfalls schlussfolgern, dass Peter Kerren ein exemplarisches Beispiel für jene ist, die sich den Begebenheiten anpassten, in der Hoffnung, Probleme vermeiden zu können, und die nicht mit Schwarz-Weiß-Kategorien zu erfassen sind.